Rückblick und Résumé

Rückblick

Ein Jahr auf Reisen, mit diesem Gedanken oder Wunsch hat alles seine Anfang genommen. Wer wusste schon, was daraus wird, aus dieser fixen Idee, die sich bei mir festgesetzt hatte. 
Vom Gedanken zum Wunsch zur Idee zur Erfüllung. 
Ehe ich es mich versehen habe, waren Job und Wohnung gekündigt, ein Flug gebucht und eine grobe Reiseroute stand fest. Und zum Glück habe ich eine so wunderbare Freundin, die das alles mitmacht, mich unterstützt hat, obwohl es für sie nicht einfach war zu dieser Zeit, und die mir dann folgte. So konnten wir die Abenteuer zusammen erleben.
Von 8000ern des Himalayagebirge in Nepal, über die Pad Thai geschwängerte Luft in Thailand, den riesigen Höhlen in Laos, den Ruinen Angkors in Kambodscha, den chaotischen Straßen in Vietnam, den bunten Festen auf Bali, den rutschigen Hängen des Rinjani auf Lombok, den Schreinen, Burgen und Ramenrestaurants Japans, der vielfältigen, bunten Flora und Fauna Kolumbiens, dem dichten Amazonasdschungel Perus, der weiten Salzwüste Uyuni in Bolivien, der unrealen Mondlandschaft der Atacamawüste in Chile, den mächtigen Iguazúfällen in Argentinien nach schlussendlich dem rauen, windgepeitschten und herrlichen Patagonien... 
So viel und doch immer noch nur einen Ausschnitt all der Wunder unserer Erde.
Wenn man mich fragen würde, ob es all das wert war: Erspartes weg, Auto im Eimer, keinen Job, keine Wohnung... Dann würde ich sagen: Definitiv! War Neuseeland bereits ein Abenteuer, so war diese Reise doch ganz anders, nicht zu vergleichen, aber doch ein noch größeres Abenteuer. Wie kommen wir von A nach B? Was ist dort sehenswert? Lohnt es sich, dorthin zu gehen? Was für Visabestimmungen gibt es? Kostet Geld abheben Geld? Kann man bedenkenlos durch die Gassen wandeln? Was darf man auf keinen Fall verpassen?
Langweilig wird einem auf Reisen nie. Es gibt immer etwas zu tun, zu sehen, zu planen, zu organisieren. Ständig trifft man neue, interessante Menschen, ist ständig auf Achse und wird geradezu überschüttet mit neuen Eindrücken, Lebensweisen und Gewohnheiten.
Vieles, das einem befremdlich vorkommt. Und einiges, das man nach kurzem ebenso gerne tut, wie die Einheimischen.

09.11.2017 - 01.03.2019 = 477 Tage war ich nun unterwegs, knappe 16 Monate auf Reisen also...

Und falls ihr euch nun fragt, was denn so die Ereignisse waren, die am meisten hängen geblieben sind, hier ein paar davon:

Das gefährlichste Erlebnis
Vietnam. Wir fahren auf einem Pass von der Hauptstraße ab, um einen kleinen Hügel zu erklimmen, von wo aus man aus einer alten, verlassenen und heruntergekommenen Funkstation einen herrlichen Ausblick auf die Umgebung hat. Auf dem Hinweg ist alles in Ordnung. Auf dem Rückweg aber schnellen beim Vorbeifahren an dem einzigen Haus, das auf dem Weg liegt, zwei Hunde heraus und laufen gezielt, zähnefletschend und mit klarer Bissabsicht auf das Motorrad zu und versuchen mich zu beißen.
Das erste Mal bin ich schnell genug vorbei, aber Lotti ist noch oben und will bis zu einer kleinen Bunkerruine hinablaufen. Mit etwas Panik beim Gedanken an Lotti und zwei scharfe Hunde werde ich ziemlich nervös. Ich muss zurück! Wieder fetzen sie heraus, aber ich bin diesmal vorbereitet und zu schnell vorbei. Einmal muss ich aber noch, mit Lotti hintendrauf. Huppend fahre ich ihr entgegen und warne sie vor den Hunden. Wir sammeln uns, bewaffnen uns mit Steinen und brechen zur letzten Fahrt an den Hunden vorbei auf. Lotti verfehlt einen der Hunde nur knapp und ich hätte nicht werfen, sondern nur fahren sollen, denn durch das Werfen des Steines verziehe ich den Lenker und wir fallen fast noch vom Motorrad. Aber alles geht gut, nur ein sehr unangenehmes Gefühl bleibt.

Das abgefahrenste Erlebnis
Ich sitze auf einer kleinen Holzterrasse und lese, als 3 junge Menschen vorbeikommen und sich ein paar Pilze einwerfen. Der Abend verspricht lustig zu werden und ich begleite die drei zum Essen und danach in eine Bar. Dort lernen die beiden männlichen Vertreter zwei Mädels kennen, die sie direkt mit zum Hostel nehmen. Hier setzen wir uns während dieser lauen Sommernacht wieder auf die Terrasse, trinken und quatschen ein wenig. Wir kommen über Tattoos ins Gespräch und der Amerikaner der Truppe gesteht, dass er eine Bambusnadel besitzt, mit der in Thailand auf traditionelle Weise Tattoos gestochen werden. Er sei kein großer Künstler, gibt er zu, aber dafür gut im Nachzeichnen und Linien folgen. So habe er auch dem Australier der 3-er Kombo, sein Tattoo auf dem Bein verpasst. 
Man muss ergänzen, dass der Australier ein kleines Kunstwerk aus scheinbar wahllos verteilten Tattoos am ganzen Körper darstellt. Das Ananas-Tattoo das er vom Amerikaner bekommen hat, sieht aber technisch sehr souverän aus, auch wenn man sich über Form und Lage der Hautverzierung streiten kann. 
Aber gut, der Amerikaner kann also tätowieren. Das macht scheinbar so viel Eindruck auf die leicht angeschwipste, weibliche Begleitung, die er 1h zuvor in der bar getroffen hat, dass sie sich ad hoc beschließt, sich an eben diesem Orte tätowieren zu lassen. Etwas verblüfft willigt der Amerikaner ein, solange sie ihr Motiv vorzeichnen kann. Während sie also eine Schildkröte auf ein Blatt Papier malt, das ihre Freundin auf die Außenseite ihres Fußes überträgt, bereitet der Amerikaner alles vor. Holt Nadel und Tinte, erhitzt die Nadel mit einem Feuerzeug und während ich mir überlege, ob das wirklich steril ist und was wohl alles schief gehen kann, sitzt er bereits am Fuß des Mädels und sticht nähmaschinenartig das Schildkröten-Motiv nach. Ergänzen muss man vielleicht noch, dass die Schildkröte sich meinem Ästhetikverständnis entzieht, aber schließlich muss auch das Mädel mit dieser wunderschönen Seitenansicht mit Stummelschwanz und krummen Hals leben, nicht ich. Ich beschließe, diese etwas bizarre Situation zu verarbeiten und gehe schlafen...
Wie sich ein Mädel von einem Amerikaner, den sie vor 30min in einer Bar kennengelernt hat, im Hostel mit einer Bambusnadel ein Tattoo auf den Fuß stechen lässt

Das romantischste Erlebnis
Es gibt natürlich auf einer so langen Reise ein paar Erlebnisse, die durchaus romantisch sind. Strände, Essen gehen, gemeinsam den Sternhimmel über Atacama anschauen und dabei frieren. Aber eine Sache gibt es, die sticht hervor.
Gut ja, es hat mit Strand zu tun, aber das ist nicht der Hauptpunkt. Wir befinden uns in Kambodscha, im südwestlichen Teil. Etwas außerhalb des Festlandes auf einer Insel. Koh Rong Sanloem, der kleinen Schwester von Koh Rong. Hier kann man die Zeit vergessen, dem Strandleben fröhnen, an der Strandbar sitzen und Cocktails schlürfen und darauf warten, dass es Nacht wird. Und dann in die Badehose schlüpfen und baden gehen.
Es gibt wenig, das beindruckender und magischer ist, als ins Meer zu laufen und zu sehen, wie es um die Beine anfängt zu leuchten, wenn man sich bewegt. Mit den Händen und Armen durchs Wasser zu fahren und auch hier zu sehen, wie aus der Dunkelheit des Meeres plötzlich Licht erscheint. Das Plankton im Meer, das sich überall um einen herum befindet, reagiert auf die Bewegung des Wassers und je stärker die Bewegung, desto heller leuchtet es.
Dann noch mit seiner Freundin im Wasser zu stehen, Arm in Arm, während es um einen herum leuchtet, oder zusammen durch das Leuchten zu schwimmen, das ist wohl mit das romantischste, was ich jemals erleben durfte.

Das coolste Erlebnis
Wir sind nicht unbedingt begeistert von Bali. Zu viel Touristenabzocke, zu viel aggressives Aufdrängen der Verkäufer, Taxifahrer, etc. Und sehr revierfixierte Hunde...
Aber, fairerweise muss man sagen, wir erleben eines unserer schönsten Erlebnisse auf Bali. Wir haben natürlich auch gutes Timing. Allerdings ohne es zu wissen. Indonesien ist größtenteils muslimisch, Bali stellt hier aber eine Ausnahme dar und hier herrscht der Hinduismus vor. Nun gibt es scheinbar zwei große Feiertage im Jahr und einen der beiden haben wir erwischt. Und glücklicherweise sind wir in einer wunderbaren Unterkunft, denn Wira, unser Gastgeber, bietet uns an, uns zu diesem Feiertag mit in die Tempel zum Beten zu nehmen. Man kann sich das ein bisschen wie Weihnachten vorstellen, nur wesentlich wärmer und mit traditionellen Gewändern.
Wir werden also von Wira mit einem traditionellen Gewand ausgestattet, sehen beide sehr schick damit aus und dann nimmt er uns mit in den Dorftempel. Dort beten wir mit ihm und seiner Familie, bevor wir zu seinen Eltern und dann den Eltern seiner Frau gehen, wo wir jeweils einen Gebetszyklus durchlaufen. Die Einheimischen sind unglaublich freundlich, gelassen, akzeptieren uns ganz offensichtlich Nicht-Hinduisten in den Tempeln und beim Beten und man bekommt überall ein Lächeln geschenkt. Auch nach der morgentlichen Tempelrunde dürfen und sollen wir die Gewänder laut Wira anlassen und auch als wir damit durch die Stadt laufen wirft man uns überall einen nach oben ausgestreckten Daumen gepaart mit einem Lächeln oder einem Ausdruck des Erstaunens entgegen. Wir fühlen uns einen Tag lang wie Einheimische und werden öfter sogar auf balinesisch angesprochen. Es ist ein intimes Erlebnis und ein seltenes, wirkliches Eintauchen in die Kultur. 

Das ekligste Erlebnis
Vietnam. Mal wieder. Die vietnamesische Küche hält viele Leckereien bereit, wenn man mutig und gewillt ist, sich darauf einzulassen. Denn das Problem ist, dass man ja nicht lesen kann, was es gibt und auch wenn man weiß, welches Gericht man eigentlich möchte, kann man es noch lange nicht aussprechen, denn bei 6 verschiedenen Betonungen ist die Chance überproportional hoch, dass man etwas anderes sagt, als man meint. Oftmals sieht man also eher, was auf dem Tisch steht und denkt sich, dass das ziemlich gut aussieht und man das auch gerne essen würde.
Gerade wenn man wie wir in den hinteren Ecken Vietnams unterwegs ist, weit weg von allen Touristen, muss man sich auf lokale Kost einstellen. Oftmals wird es Reis mit irgendwas, denn das Wort für Res können wir irgendwann zuordnen. Manchmal besucht man aber auch kleine Straßenläden und probiert etwas neues aus. So wie in Cam Tuy bei Miss Thai. Eigentlich sind die Spezialität dort gedämpfte Reisrollen. Sie bietet uns aber noch dazu Eier an. Ich denke mir: "Ach schön, ein Frühstücksei!", bis mich die Realität einholt. Wir haben es hier mit einem der speziellen Eier zu tun, bei denen sich ein halb ausgebildetes Küken im Inneren befindet. Dieses kann man dann aus dem Ei herauslöffeln. Klingt eklig, ist noch viel ekliger, wenn man den Fötus vor sich sieht. Ich bin dafür, dankend abzulehnen, aber Lotti fasst sich ein Herz, bzw. einen Magen und probiert ein Stück. Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen, schließlich hatte ich bereits Skorpion und andere Leckereien. Auch ich nehme einen Löffel und es schmeckt irgendwie nach Ei, aber irgendwie auch falsch. Nach je einem Löffel lassen wir es dann auch sein. Miss Thai lacht nur...

Das beeindruckendste Erlebnis
Puh... Das ist schwierig. Das lässt sich auch nicht mit einem Erlebnis abhaken. Es gibt nicht DAS beste Erlebnis, es gibt so viele unglaubliche Erlebnisse, Eindrücke, Momente und Orte.
Daher nur mal ein paar der Dinge, die sich ganz vorne befinden. 

Den Manaslu zu umrunden ist definitiv eines der Highlights. Nepal zu sehen, die Menschen dort, wie sie leben, ihre Kultur, die Berge, die Landschaft, diese gewaltige Natur. Von Hütte zu Hütte zu laufen, vorbei an Dörfern, Gebetsfahnen, kleinen Tempeln, über Hängebrücken und Flüsse, Dal Bhat zu essen. Die kalte Luft, gepaart mit Eseldung. Einheimische, die Steine, Armierungsstangen und eigentlich alles per Band, das an der Stirn anliegt, die steilen Hänge hinauftragen. Es ist eine andere Welt, anders als alles, was ich bisher gesehen habe und es war ein fantastischer Einstieg in diese Reise.

Die Ruinen von Angkor Wat in Kambodscha zählen zu den Stätten, die mich einfach unglaublich beeindruckt haben. Die filigranen Reliefs und die schiere Größe der Tempel im Gegensatz dazu. Die Architektur, Lage, Bedeutung und unglaubliche Leistung, solche Bauwerke ohne die heute zur Verfügung stehenden Hilfsmittel zu errichten. Drei Tage lang durchstreifen wir die Ruinen mit ihren unzähligen kleinen und großen Tempeln und es ist anstrengend. Bei 30°C+ durch die Ruinen zu streifen und sich jeweils aufs Neue für die Feinheiten der jeweiligen Tempelanlage zu begeistern ist durchaus ermüdend, aber einfacher als gedacht, denn es ist wahnsinnig beeindruckend.

Auch Machu Picchu ist überaus eindrucksvoll was seine Lage, Errichtung, Bedeutung und einfach Schönheit anbelangt. Wesentlich übersichtlicher als Angkor ist es doch ein von Menschenhand erschaffenes Wunderwerk. Die Lage hoch auf dem Plateau des Berges, mit einer umwerfenden Aussicht. Die durchdachte Bewässerung der Reisterrassen. Die Bedeutung im damaligen Inka-Reich. Im Morgenlicht an der Hütte des Wächters zu stehen und sehen, wie sich der Nebel hebt und die Ruinen der Stadt freigibt ist ebenso magisch wie wundervoll.

Die Atacama-Wüste ist einer der trockensten Orte dieser Erde und hat mich gleich mit zweierlei Dingen tief beeindruckt. Zum Einen findet man hier eine Mondlandschaft, karg, hügelig, schroff, die aber einen unglaublichen Reiz versprüht. Guanaco-Herden (sehen aus wie ausgehungerte Lamas)ziehen durch die Steppe, schneebedeckte Hügel ragen um einen in den Himmel, es gibt Geysirfelder und diverse, unglaublich farbenfrohe Lagunen zu entdecken. Das alles gibt es tagsüber zu entdecken.
Nachts zeigt sich ein weiterer Höhepunkt: Es ist kalt, aber wolkenlos und hebt man den Kopf wird man fast erschlagen vom Ausblick auf einen Sternenhimmel, wie man ihn fast nirgendwo sonst zu sehen bekommt. Kaum bis keine Lichtverschmutzung, keine Wolken, kein Mond. Dadurch leuchten einem die Sterne in einer Deutlichkeit entgegen, wie ich sie bisher noch nie gesehen habe. Milchstraße, Magellansche Wolken, alles auf einen Blick zu erkennen. Wahnsinn...

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