Mendoza
13.01. - 26.01.19
Es gibt sie, diese herrlichen zufälligen Begegnungen, die in tagelangen Spaß ausarten. Nachdem ich nach einer 11-stündigen Busfahrt durch zumeist sehr langweilige Steppe zwischen Córdoba und Mendoza etwas erschöpft am Busbahnhof ankomme, brauche ich Bewegung. Ich laufe also mit meiner Ausrüstung ca. 1km durch ein sich im Sonntagskoma befindliches Mendoza, das weder Charme noch irgendetwas hübsches versprüht. Aber gut, bin auch kaputt, vielleicht siehts morgen mit offenen Geschäften anders aus. Am Hostel jedenfalls komme ich zeitgleich mit Eveline, einer Niederländerin, an und wir verstehen uns blendend. Eveline kommt aus der Nähe von Haarlem, ist 2 Monate unterwegs und kann mir ein paar Tipps zu Patagonien geben, da sie schon dort war. Aber wir verstehen uns allgemein super und alleine mal wieder 20min im Ironiemodus zu sein, macht Spaß und kommt doch eher selten vor, da man mit vielen nicht bis zu dieser Stufe kommt. Entsprechend sind wir jetzt Mendoza-Best-Buddies!
Mendoza - schlafende Schönheit? Schlafend: Ja; Schönheit: Naja
Am nächsten Tag erkunden wir etwas die Innenstadt von Mendoza, die allerdings auch an Montagen keine großen Sehenswürdigkeiten bietet. Noch dazu sollte man beachten, dass hier ganz stark die Siesta eingehalten wird. Von 13:00-17:00 ist die Stadt generell fast komplett ausgestorben. Fast alle Geschäfte haben zu, viele Restaurants sind geschlossen und erst ab 17:00 kriechen langsam alle aus ihren Löchern und man fühlt sich nicht mehr wie in einer Geisterstadt.
Immerhin es gibt ausreichend Restaurants und Cafés, um sich bei Laune zu halten, auch während der Siesta... Abends gibt es speziell in den kleinen Restaurants westlich des Hauptplazas viel Fleisch auf der Speisekarte und das ist auch noch ziemlich gut! Da kann man mal wieder so richtig Steak schlemmen!
Aber abgesehen davon kann man die Stadt jedoch getrost vergessen, hier gibt’s nichts Spannendes. Es fährt sogar ein Sightseeing-Bus durch die Gegend, aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, was sie den Insassen zeigen wollen...
Nunja gut, eine Sache gibt es zu sehen, die wirklich schön ist: Der Parque San Martin, ein großflächig angelegter Stadtpark mit See, asphaltierten Wegen, viel grün und einem Aussichtpunkt auf einem kleinen Hügel. Den erklimmen Eveline und ich, trinken oben einen frischen Erdbeersaft und schauen der Sonne ein wenig beim Untergehen zu, bevor wieder der Fleischalarm im Magen ertönt und wir im Restaurant sicher unterkommen.
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| Vom Cerro de la Gloria im Parque San Martin hat man eine schöne Aussicht auf Mendoza und das Umland |
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| Ein Wein geht immer in Mendoza |
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| Und auch günstiges und sehr gutes Essen gibt es |
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| Auf dem Hauptplaza leuchtet es nachts |
Schenk mir reinen Wein ein!
Wenn hier alles so langweilig ist, warum bin ich eigentlich hier? Der Kenner weiß es: Wein! Mendoza ist das Hauptanbaugebiet in Argentinien und bietet in den Außenbezirken der Stadt viele Weinfelder und Weingüter. Da kann man natürlich auch Touren machen.
Außerdem ist heute mein Geburtstag! Da kann man sich schon mal feiern und was unternehmen, so eine Weintour nämlich.
Eveline, ich und noch ein paar andere Besucher aus dem Hostel werden dazu morgens um 10:00 abgeholt und fahren 45min durch die Gegend, bis wir auf einem kleinen Weingut ankommen, die etwas lustlose Dame uns ein paar Sachen erzählt und wir dann endlich zum Verkosten kommen. Nice, 11:00, los geht’s mit Traubensaft! Der Schaumwein ist ok, der Rote eigentlich ganz gut, aber das Drum Herum gefällt mir nicht so sehr und an der zweiten Haltestelle wird es schon wesentlich besser. Ein ebenfalls kleines Weingut, ein junger Besitzer und eine sehr lustige Verkostung an großem Tisch machen schon mehr Spaß. Er öffnet für uns sogar einen 2003 Malbec, der wirklich sehr gut schmeckt, bevor er uns auch ein Bierchen anbietet, gebraut wird hier nämlich auch. So hat man auch nicht ganz zufällig oder uneigennützig einen sehr speziellen Wein kreiert, der äußerst hopfig schmeckt, in der Hoffnung, auch die Biertrinker mehr für Wein begeistern zu können. Tja, Wein ist Wein und Bier ist Bier, denke ich mir, so gut finde ich ihn nicht, aber definitiv interessant.
Dann Fahrrad aussuchen, denn wir haben die „Wine and Bike“ Tour gewählt. Jetzt kann man sich zwischen Pest und Cholera entscheiden, denn die Bikes sind allesamt so durch, dass bei einigen die Bremsen nicht funktionieren, ein anderes hat so einen Achter, dass beim Schieben das Hinterrad komplett blockiert. Die Sättel sind ebenfalls bei fast allen Rädern nicht verstellbar. Nach einigem tauschen und etwas reparieren, können wir endlich los. Und zwar auf die gegenüber liegende Straßenseite, ungelogen 50m, bevor wir am Tor des nächsten Weingutes stehen. Hier gibt es Mittag und etwas weniger Wein als zuvor. Sieht aber auch alles etwas nobel aus und ich habe das Gefühl, wir sind auch nur halb willkommen...
Der nächste Stop liegt 10 Fahrradminuten entfernt und ist eine willkommene Abwechslung: Eine Brennerei. Und wir dürfen die süßen Liköre verkosten. Nur, dass die meisten die nicht mögen. Ich aber. Und so bekomme ich von fast allen ihr halbvolles Gläschen hingestellt. Und mir schmeckts! Entsprechend gut bin ich gelaunt, als wir weiterfahren. Die frische Luft tut in meinem Zustand wirklich gut... Das letzte Weingut steht an und dafür müssen wir immerhin 30min mit dem Fahrrad durch die Landschaft klappern.
Das lohnt sich aber, denn der gute Herr, bei dem wir zu Gast sind, gibt uns immer 2 Gläser zum gegeneinander verkosten. Und wir sollen herausfinden, ob es sich um die „Eco-Estate“ handelt, also die aufs Grundhandwerk reduzierte Variante ohne Vermengungen, ohne Nachbehandlung oder Lagerung im Fass, oder ob es sich um einen „Dolium“ handelt, also den veredelten Wein aus dem Hause. Dabei beschreibt er eine Basisvorgehensweise, wie z.B. den Wein schräg halten und die seitliche Kante checken, riechen, schmecken, ob man Eiche (Fass) herausschmeckt und wie viel „Tiefe“ der Wein hat. Und das klappt erstaunlich gut. Hier nimmt man richtig was mit, nicht nur eine Kellerführung und zwei, drei Weine.
Joa, schöner Geburtstag! Aber halt, es geht noch weiter, wir lassen den Tag gemütlich in einem kleinen Biergarten ausklingen, der allerdings gar nichts mit deutschen Biergärten gemein hat, außer einer Sitzgelgenheit. Dann erfahren auch die noch verbliebenen Gäste (Michael, Kölner; Daniel, Aschaffenburger; eine Brasilanerin und noch eine andere Deutsche), dass ich Geburtstag habe, was bis auf Eveline nämlich keiner wusste, woraufhin der Köllner Jung ein Ständchen anstimmt. Süß!
Jetzt aber: Schöner Geburtstag!
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| Was gibt es schöneres als eine Weinführung und vormittags um 11:00 den ersten Wein! |
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| In lustiger Atmosphäre wird angestoßen |
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| Der gute Merlot von 2003 |
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| Eine dringend nötige Stärkung zur Mittagszeit |
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| Auch eine Brennerei steht auf dem Programm |
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| So sieht es aus, wenn man als einziger die süßen Liköre mag |
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| Wein und die Berge der Anden, das typische Mendoza-Bild |
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| Man erkennt es nicht gleich auf den ersten Blick, aber das ist ein Biergarten |
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| Zum Abschluss des Tages, so gegen 22:30, kann man dann auch Abendessen. Und da es immer noch mein Geburtstag ist, gibt es heute Steak! Und das sieht nicht nur saftig und lecker aus, es schmeckt ach genauso! |
Beobachtungen
Heute ist Samstag. Es geht gegen Nachmittag und ich liege im Bett. Plötzlich schlägt meine Nase Alarm. Ein sehr intensiver Geruch penetriert meinen Riechkolben. Wie sich herausstellt, grillen die Nachbarn. Und zwar auf einem Grillrost direkt an der Straße und auf dem Gehweg, die Kohle wird dabei direkt auf den Asphalt geschüttet. Das sehe ich, als ich später daran vorbeilaufe. Was ich noch sehe, ist der geschätzt 5kg schwere Brocken Fleisch, den sich die 5 Jungs dann wohl teilen werden. Als Carnivore muss man Argentinien einfach lieben!
Ausreiten bei Blutmond
Der Mondritt
Und ich reite in die Nacht
wippe auf und ab schön sacht
Dunkel ists der Mond scheint helle
Erleuchtet meines Pferdes Felle
Der Gaul trabt ganz von alleine
In des hellen Mondes Scheine
Die frische Brise in der Nase
Das Wegbier drückt auf die Blase
Ich sitze leicht angetrunken auf dem Rücken eines Pferdes. Mein vierbeiniges Transportgefährt ist weiß, hat die Mähne besenbürstenlang geschoren und macht genau das, was ich in meiner Situation brauche. Es befindet sich im Automatikmodus und läuft ohne Richtungsangabe und ohne mein Zutun den Weg entlang. Quasi autonomes Fahren. Die Wolken haben für sich beschlossen, dass sie die grellpinke Farbe nicht dauerhaft mögen und sind über ein sanftes rosa in ein schattiges grau übergegangen. Dabei sind sie nicht alleine, auch die Landschaft verabschiedet sich ins Zwielicht der Dämmerung. Ob es am vormals rosa Himmel liegt, weiß ich nicht, aber mein Streitross mag es kuschelig, denn es hängt seinem Vordermann immer am Po. Ab und zu stößt es sich dabei gut an, weil der Vorgesetzte aprupt stoppt, ein Lerneffekt setzt jedoch nicht ein.
Was sich sicherlich jeder fragt: Warum reitet der Domi denn? Ganz leicht zu beantworten: Ich freue mich aufs anschließende BBQ und die Beobachtung der Mondfinsternis in den Anden, wo das alles stattfindet. Das reiten ist quasi nur Vorspiel und für mich nur Anhängsel. Aber es macht Spaß, man fühlt sich saumäßig "Gaucho", also Cowboy auf argentinisch. So ertappe ich mich auch hin und wieder, wie ich, die eine Hand die Zügel lässig führend, die andere Hand auf meinen Oberschenkel stützend, unglaublich cool und badass durch die Gegend reite.
Durch die Nacht, um es genauer zu sagen. Schließlich war am Anfang der 2-stündigen Tour ja bereits Sonnenuntergang. Macht aber nix, denn nach einem kurzen Abschnitt in relativer Dunkelheit sagt der Mond Hallo. Frech grinst er kurz über einen Hügel, bevor er hoch am Himmel thront. Und leuchtet wie eine Glühbirne auf Drogen. Es ist plötzlich hell und hell genug, damit wir sogar unseren Schatten sehen können. Auch als ich meinen Schatten beobachte, denke ich wieder daran, wie dufte ich sicherlich auf dem Pferd aussehe. Sogar die grundlegenden Kommandos wie "Stop" oder "Geh" funktionieren und gepaart mit den Kommandos "scharf links" und "scharf rechts", kann also kaum etwas schief gehen. Allerdings brauche ich keines der Kommandos sonderlich häufig auf unserem Ausritt...
Der Weg führt durch eine herrlich stimmungsvoll ausgeleuchtete Landschaft mit viel Gebüsch und den Bergen der Anden im Hintergrund. Es geht aufwärts, abwärts, durch Bäche, über Steppen und allgemein über Stock und Stein. Auf einem Hügelkamm prüfe ich einmal unsere Höhe: Joa, gute 2750m, passt. Bis auf die niedrigen Temperaturen merkt man von der Höhenluft aber nichts. Anderseits macht auch das Pferd die Arbeit, nicht ich.
Auch wenn ich mich nicht vorrangig aufs reiten an diesem Abend gefreut habe, ist es doch ein herrliches Erlebnis. Man schaukelt durch die Gegend und kann diese dabei in Augenschein nehmen, den Mond bewundern und gelegentlich mit den Zügeln spielen.
Nach unserer Rückkehr schieße ich ein paar Fotos und nach kurzem wird aufgetischt: Fleisch, Fleisch und noch mehr Fleisch steht als fingerfood auf dem Tisch. In der zweiten Runde gesellen sich Kartoffeln und Zwiebeln dazu, bevor der nächste Fleischteller uns schon wieder anlächelt.
Dann wird gequatscht und so langsam die Stative aufgebaut.
Nun geht es langsam los, man sieht wie ein Schatten von rechts langsam nach links kriecht. Aber es geht sehr schleichend. Was ebenfalls kriecht, allerdings von links nach rechts, sind Wolken, die den Mond immer wieder einmal verschlucken. Aber vielleicht sind die nachher weg. Ich verbringe noch etwas Wartezeit am Lagerfeuer und die Schwedin unserer Gruppe beschwert sich, dass es hieß, wir wären zwischen 3:00 und 4:00 zurück. Und sie möchte nicht später ankommen. Auch eine andere Deutsche teilt mit, dass sie morgen noch eine 12-stündige Tour ab 8:00 vor sich hat und nicht zu spät im Hostel sein möchte. Hmmm, ob es einen großen Unterschied macht, wenn man nach 2 oder 3h Schlaf auf eine 12 Stunden Tour geht? Sei's drum, die Damen halten zumindest noch durch, bis der Mond gegen 2:00 aus der völligen Dunkelheit auftaucht und tief rot leuchtet. Ein herrlicher Anblick, ein großartiges Spektakel. Leider haben sich die Wolken gerade jetzt herausgesucht, um immer wieder den Mond zu verstecken. Aber ab und zu kann man einen Blick auf den rot-orangenen Gesteinsbrocken erhaschen.
Der Tourguide wird unruhig und befürchtet schlechte Bewertungen, wenn wir nicht langsam den Rückweg zum Hostel antreten. Aber eine andere Gruppe ist noch da und die Tourchefin bietet uns an, uns in 30-60min mitzunehmen, wenn wir mögen. Wir sind ein britischer Pilot und ich und die letzte halbe Stunde haben wir viel Spaß dabei, mit den anwesenden Einheimischen, bzw. der Familie der Ranch, Fotos zu schießen. An unserem Fahrer auf der anschließenden Heimfahrt ist ein Rennfahrer verloren gegangen und ich glaube, wir sind nur 10min nach unserer Gruppe am Hostel. Trotzdem schlafen bereits alle und Kleidung liegt wild im Zimmer verteilt. Immerhin hat es noch zum Entkleiden gereicht. 5:00 morgens, Reiten, Fleisch und Mondfinsternis hinter mir. Ja, das reicht für einen Tag!
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| Pferdewahl. Jeder bekommt ein Tierchen zugeteilt, dann heißt es Aufsteigen! |
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| Mein Schlachtross kann es kaum erwarten loszulegen |
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| Sieht aus wie ein Tagbild, es war allerdings Nacht. Der Vollmond hat so stark geleuchtet, dass es bei längerer Belichtung aussieht, als wäre es Tag. Nur ein paar Sterne am Himmel verraten, dass es eigentlich schon Nacht ist. |
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| Nachdem sich der Mond in den Erdschatten verzogen hat, sieht man auch die Sterne |
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| Dann erscheint er wieder, tiefrot. Hier rechts oben im Bild |
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| Während en paar Leute und ich den Mond genießen, machen es sich andere am Feuer gemütlich |
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| Irgendwer hat ein Fernglas dabei, damit lässt sich der Mond natürlich wunderbar beobachten |
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| Unterschiedliche Phasen des Mondes übereinander gelegt |
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| Ich genieße das Schauspiel am Himmel |
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| Die Familie der Ranch und wir haben viel Spaß |
Man könnte jetzt noch so Späße wie Winetasting in the sky machen, also einen Fallschirmsprung, bei dem man allem Anschein nach eine kleine Flasche Roten ext, aber das ist mit irgendwie zu doof, abgesehen vom Gefahrenpotential. Denn was passiert, wenn einem die Flasche aus der Hand flutscht, einen KO schlägt, oder, noch schlimmer, seinen Fallschirmpartner KO schlägt und man dann den Fallschirm nicht öffnen kann. Nein, zu unsicher...
Außerdem gehen noch Wandern, Klettern, Raften, Paragliding, u.a. Man könnte die Zeit hier also gut füllen, aber dazu ist mein Konto mittlerweile zu wenig gefüllt. Und so begnüge ich mich mit ein paar ausgewählten Beschäftigungen, den Leuten im Hostel, Kaffee und Kuchen in der Stadt und freue mich auf Patagonien. Erstmal aber auf Valparaiso, wo ich wieder einmal Seeluft schnuppern kann.
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| Kein Scherz, gibt es wirklich |
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| An Kaffee und Kuchen mangelt es auch in Mendoza nicht |
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| Sport macht gute Laune! Im Parque San Martin kann man wunderbar laufen |
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| Während ich beim joggen schnaufe, verausgaben sich diese Sportler beim Crossfit |
Traurige Randnotiz
Es macht schon traurig, wenn man in einem kleinen Bistro an der Straße sitzt und kurz nachdem die Gäste gegenüber aufgestanden sind, kommt ein relativ junger Mann in abgewetzter Kleidung und nimmt schnell, bevor die Bedienung abräumen kann, die Überreste bzw. Hühnchenknochen mit, um sie abzunagen.
Kurz darauf kommt ein kleines Mädchen und legt ein rosa Haarband auf den Tisch, dass sie kurz darauf wieder einsammelt oder man nimmt es und kauft es ihr ab. Gang und Gebe hier, aber es macht traurig...
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