La Paz - Teleferico, ein wenig Luxus und psychische Probleme
27.11. - 03.12.18
Die drittgrößte Stadt in Bolivien gemessen an den Einwohnerzahlen und der Regierungssitz, liegt La Paz zudem auf über 3600m. Bzw. erstreckt sich von 3200m im Süden bis hinauf zu 3650m. Das führt schon mal zu Temperaturunterschieden von 10°C und mehr. Speziell, wenn man den Wind mit einrechnet…
Für uns als Touristen hat die Seilbahn, die mit verschiedenen Farben durch die Stadt führt und einen gewaltigen Ausblick in der Vogelperspektive auf die Stadt bietet, einen ungeheuren Reiz. Als alltägliches Verkehrsmittel für die Anwohner ist sie jedoch zu teuer, was zwar am eigentlichen Zweck der Bahn vorbei geht, das Fahren aber relativ angenehm macht, denn man hat die Gondeln von Doppelmayr fast für sich alleine.
Wir sind mit einem Bus von Copacabana aus unterwegs, ca. 4h dauert die Fahrt. Es ist eine abenteuerliche Fahrt. Wir werden abends in Dunkelheit plötzlich von unserem Busfahrer aufgefordert auszusteigen. Wir ahnen warum, Lotti hat sich schlau gemacht: Wir müssen eine schmale Verengung des Titicaca-Sees überqueren, über die es keine Brücke gibt. Nur Fähren. Der Bus wird also auf einen kleinen Holzverschlag mit Motor gefahren, während wir etwas orientierungslos unsere Fähre suchen. Bzw. unser Boot. Ich fühle mich, als ob ich zu einer Straftat oder zur Flucht aufbreche. In der Dunkelheit vorne im Boot zusammengepfercht mit den anderen Reisenden. Sehr abenteuerlich. Die weitere Fahrt ist dafür normal...
Ankunft
Unsere Wohnung befindet sich diesmal ziemlich außerhalb des Zentrums und ich sage bewusst Wohnung, denn es ist ein AirBnB und wir wohnen zusammen mit der Familie in einem ziemlich großen Haus. Wir stellen bald fest, dass die Häuser in dieser Gegend allgemein ziemlich groß und hübsch sind, denn wir wohnen in Irpavi, einem der besten Viertel von La Paz. So ist denn auch unsere Dame des Hauses Ärztin und der Hausherr viel beschäftigter Ökologe. Wir haben ein großes Zimmer mit eigenem Bad (inkl. Bidet!) und allgemein ist es hier ziemlich schön eingerichtet und groß. Morgens sitzen wir fast jeden Tag mit der Familie zusammen und frühstücken, wobei wir uns erst so gut es geht in spanisch unterhalten und dann auf englisch wechseln, wenn sich unser Können dem Ende neigt. Also nach 2 Minuten. Es fühlt sich ein wenig nach zuhause an hier, die jüngste Tochter mit ihrem Sohn Hannibal ist ebenfalls zuhause und wir kommen uns ein wenig als Teil der Familie vor.
Auch andere Familie treffen wir in La Paz: Augustus, der Onkel von Carlos, wohnt auch hier (sogar nur ein paar Meter von uns entfernt, wie wir dann herausfinden). Er spricht hervorragend deutsch (deutsche Schule) und arbeitete unter anderem als Reisveranstalter. Von ihm könnten wir uns also ein paar Tipps holen bzgl. unserer weiteren Planung.
Nach einer Vermittlung von Johanna an Carlos an Augustus verabreden wir uns am Prado und sind überrascht, wie gut er deutsch kann und kommen sofort über alles mögliche ins Gespräch. Von Reisen über Politik bis zu Geschichte plaudern wir eigentlich durchgehend. Er bringt uns zu einem Café mit dem schönen Namen "Kuchenstube", wo erwartungsgemäß deutsche Leckereien angeboten werden. So etwa Schwarzwälder Kirschtorte oder auch Apfelstrudel. Lecker, lecker. Bei Kaffee und Kuchen rät uns Augustus, einmal den Weg über Arica nach San Pedro de Atacama in Betracht zu ziehen, anstatt nach Uyuni und dort eine Schleife zu fahren. Wir sind durchaus offen für diesen Vorschlag und nachdem wir das zurück in unserem Haus einmal durchgeschaut haben, werden wir das auch so machen! Nice.
Aber allgemein ist die Zeit mit Augustus sehr kurzweilig und ehe wir uns versehen, lädt er uns auch noch ein. Mei, wie nett! Wir fahren gemeinsam zurück, da er eben nur ein paar Meter von uns entfernt wohnt, und er lädt uns zum Abendessen ein, wenn ich wieder von meiner Bergbesteigung zurück bin. Ja, Bergbesteigung, dazu jetzt mehr...
Die Psyche
Ich muss sagen, es ist in letzter Zeit nicht so häufig vorgekommen, dass sich große Gefühle eingestellt haben, im allgemeinen ist meine Gefühlswelt recht stabil, weswegen es ein Grund mehr ist, diesem letzten Gefühlsausbruch meinerseits auf den Grund zu gehen…
Kein Angst, nichts Schlimmes, zumindest nicht objektiv betrachtet. Subjektiv, da es in mir und um mich geht natürlich schon…Das übergeordnete Problem: Die Besteigung des Potosi, des 6088m hohen Berges in der Nähe von La Paz.
Als ich auf dem Chachani stand, habe ich mir noch geschworen, so einen Mist nie wieder zu machen, also auf über 6000m zu steigen. Aber der Körper und auch der Geist vergessen schnell die Qualen und Schmerzen, die so etwas mit sich bringen und nach 3 Tagen war ich bereits wieder gewillt und sogar voller Vorfreude, den mächtigen Potosi zu besteigen. Ebenfalls einer der einfachsten 6000er und sogar in Verbindung mit einem Tag Einweisung in den Umgang mit den Steigeisen, da es den ganzen Weg vom Hochlager zum Gipfel auf Schnee geht, hat er eine starke Anziehungskraft auf kleine Normalos wie mich, die einen schneebedeckten, hohen Berg besteigen wollen.
Der Kern des Problems: Marcel, mein Reisekumpel aus Leipzig, hat sich was am Magen eingefangen und ist bis Samstag, dem Tag, der sich gut für einen Start der Tour anbieten würde, definitiv noch nicht fit. Und allein wird die Tour zu einer Privattour und damit viel zu teuer. Ab zwei Personen sinkt der Preis von 300$ auf immerhin 200$. Wäre zu verkraften. Aber da ich bislang der einzige Teilnehmer wäre, da noch niemand anderes Interesse an diesem Datum bekundet hat, müsste ich also entweder die Privattour machen, oder hoffen, dass sich noch Interessenten finden und ich nicht alleine bin.
Nach einigem Kontakt mit Climbing South America und einem Besuch im Office bin ich sehr auf diese Agentur festgelegt, denn sie machen einen grundsoliden Eindruck. Wir kommen überein, dass, wenn sich noch Leute melden, sie mir Bescheid geben. Hier kommen wir zum Kern des Kerns des Problems:
Meine Psyche…Nachdem ich den Freitag vergeblich darauf warte, dass sich jemand meldet, fange ich ab ca. 15:00 an, zunehmend deprimiert zu werden. Meine Laune verschlechtert sich minütlich, ich will doch schließlich auf den Berg, aber scheinbar hat sich noch niemand gemeldet. Ich schaue alle Minuten aufs Handy, aber keine positive Nachricht. Eigentlich gar keine Nachricht. Wenn es noch was werden sollte, muss ich bis 18:00 im Office sein, um die Ausrüstung für morgen anzuprobieren. Da wir ziemlich außerhalb wohnen, denke ich mir, bis 16:00 sollte ich Rückmeldung haben, um noch genug Zeit zu haben, ins Office zu pendeln.
Da ich weiterhin nichts höre, setzt sich ein Trauerprozess in Gang. Da Samstag der einzig sinnvolle Tag ist und sich niemand gemeldet hat, schwinden die Chancen, auf den Berg zu gehen. Die Realität sinkt langsam, aber mit kraftvollem Druck in mein Bewusstsein. Ich bin traurig, enttäuscht und ziemlich zerstört. Nach diesem, letzten Punkt kann es nur bergauf gehen. Was es auch tut. Ich sage mir: „Gut, hat nicht sollen sein, es findet sich keine Gruppe und es hat halt nicht geklappt. In Europa gibt es auch schöne Berge, an denen man lernen kann, mit Steigeisen zu gehen!“ Ich zwinge mich, die Sache abzuhaken und stattdessen nach vorne und auf die netten Kleinigkeiten zu blicken, die sich dadurch ergeben: Wir können länger in der wunderbaren Unterkunft bleiben, ich kann morgen ein wenig durch die Stadt bummeln, es langsam angehen lassen und die Chancen, dass es mit einem Abendessen mit Carlos Onkel Augustus klappt, steigen ebenfalls.
Ich habe mich aus meinem tiefen Tal der Tränen herausgezogen und war wieder normal, happy und ansprechbar. An dieser Stelle könnte die Geschichte mit einem Happy End aufhören… Wenn da nicht Ana wäre. Ana ist die Sekretärin von Climbing South America und nachdem ich ihr um 16:10 geschrieben habe, dass sich wohl niemand mehr gemeldet hat und die Tour dann auch für mich nichts mehr wird, schreibt sie fröhlich: Wir haben eine Gruppe für morgen.
Toll… Meine innere Ruhe zerspringt wie ein Spiegel, es zerreißt mich. Aber nicht vor Freude, nein! Ich habe mich eine Stunde lang davon überzeugt, dass es nichts wird, mich darauf eingestellt und es endlich, unter viel gutem Zureden meines inneren Ichs, akzeptiert. Und dann könnte ich doch gehen!
Das ist zu viel für mich. Ich versinke wieder in einer steinernen Nachdenkphase und kann mich aber nicht auf die neuen Gegebenheiten einstellen. Nach all der Überzeugungsarbeit an mich selbst, komme ich einfach nicht dazu, es rückgängig zu machen. Ich sage ab, irgendwie schweren Herzens, aber irgendwie auch nicht, schließlich habe ich mich bereits von der Vorstellung, in drei Tagen auf dem Berg zu stehen, verabschiedet. Aber es nervt mich! Es stört mich! Es regt mich tierisch auf! Warum muss das denn sein, warum kann ich nicht jubelnd aufspringen und ins Büro fahren, um alles klar zu machen??? Warum muss mein Verstand so festgefahren sein???
Aber ja, eben darum, weil ich ihn eine Stunde lang darauf eingeschworen habe. Und trotzdem… Kann ich nicht ein wenig spontaner sein?!
Aber gut, der Zug ist jetzt abgefahren. Vielleicht komme ich ja in ein paar Jahren, immer noch fit und sportlich, zurück. Dann kann ich das in Angriff nehmen… Für jetzt freue ich mich auf zwei friedliche Tage in La Paz und die Weiterreise nach Chile zur Atacama-Wüste!
Aber der Freitag hat auch Positives. So werden wir mittags von der Hausherrin zum Essen eingeladen. Natürlich wird selbst gekocht und wir sind gespannt, was uns erwartet. Um 12:00 betreten wir die Küche, der Druckkochtopf steht auf dem Herd und kurz darauf wird serviert: Fricassé! Hmm, das Schweinefleisch ist zart und lecker, dazu gibt es den großen Mais und schwarze Kartoffeln. Diese wurden wohl noch einmal in der Erde vergraben, nehmen so die schwarze Farbe an und sind fester als normale Kartoffeln. Ein wenig gummi-quietsche-mäßig, aber nicht schlecht (nochmal genauer erkundigen).
Wir sitzen mit der Familie zusammen, ähnlich wie fast jeden Tag beim Frühstück, und Hannibal macht wieder viel Quatsch mit uns...
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| Fricassé! Superlecker, eben hausgemacht! |
Und wir folgen der Empfehlung unseres Hausherren und suchen das "Popular" auf, ein kleines Restaurant, das sich auf einheimische Küche spezialisiert hat. Aber auf hohem Niveau. Was wir noch nicht wissen, als wir ankommen und erst einmal warten müssen. Wir sind früh genug hier um nur 30min warten zu müssen, aber mit jeder Minute kommen mehr Leute, die einen Platz ergattern wollen. Wir sind also neugierig, was uns so erwartet. Nach einem netten Gespräch mit zwei Österreichern wird uns ein Platz an der Theke angeboten, den nehmen wir doch gerne an!
Wir beobachten das Treiben in der Küche und bestellen von der übersichtlichen Karte, die einem ein 3-Gänge-Menü verspricht und einem pro Gang je zwei Alternativen bietet. Wunderbar, Lotti und ich teilen auf. Was uns dann vorgesetzt wird, war nicht abzusehen: Das beste Essen seit Lima. Sogar auf einer Stufe, wenn man mich fragt!
Eines der Gerichte ist so zart, dass es auf einer Plastikfolie auf weichem Untergrund serviert wird, was ein Schneiden unmöglich macht. Aber es ist so zart, dass Schneiden eben auch gar nicht nötig ist! Und geschmacklich so unglaublich gut! Auch der Nachtisch ist optisch und am Gaumen eine wahre Freude. Und am Ende bezahlen wir: 15€. Für uns beide... Schade, dass sie nur mittags offen haben und morgen geschlossen! Und am Montag reisen wir ja bereits ab...
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| Die grüne Linie der Teleferico bringt uns in die Stadt. So lässt es sich reisen! |
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| Dabei kann man wunderbar entspannen |
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| Und La Paz von oben hat auch was |
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| Schöner Snack für Zwischendurch: Salteñas |
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| Die Innenstadt von la Paz ist farbenfroh und schön |
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| Hier gibt's gutes Essen! Das Popular |
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| Von der Bar aus haben wir besten Blick auf die Köche und die Küche |
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| Vorspeise: Asadito de Cruceño |
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| Hauptgang: Keperi |
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| Hauptgang: Lechon a la Canasta |
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| Nachspeise: raffinierte Melone (Sandia) |
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| Nachspeise: Misko Lawa |
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| Übersichtliche Karte, phänomenales Essen, so muss es sein! |
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| Kaffee und Kuchen in unserem Viertel |
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| La Paz bei Nacht |
Die Fahrt und der Grenzübergang wiederum verlaufen sanft und glatt, aber man muss es gesehen haben, wie eine Mutter in der Schlange für die Ausreise steht und dabei ihrem Kind die Brust gibt... Südamerika rules!
Und schon sind wir in Chile, Atacama wir kommen!
















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