Minca - Ein Wochenende abschalten bei Kaffee und Tukanen

Minca
07.09.18 - 10.09.18
Es gibt Unterkünfte, die sind ganz ok, es gibt Unterkünfte, da kann man gerade so schlafen, aber eigentlich möchte man gleich wieder weg, andere sind nett und man freut sich über saubere Betten, eine warme Dusche und nette Gesellschaft. 
Und dann gibt es Unterkünfte, die der eigentliche Grund des Weges sind. 

Wie die Casas Viejas, die 20min auf einer holprigen Straße entfernt von Minca liegen, dem selbsternannten Ökokapital Kolumbiens. Die Unterkunft bietet einen phänomenalen Blick aufs Tal, wo man nachts die Lichter Santa Martas heraufleuchten sieht. Mitten in einer Kaffeeplantage gelegen, umgeben von den Kaffeepflanzen und unweit der „La Victoria“ Kaffeefarm ist diese Unterkunft ein wahres Refugium. Alle Annehmlichkeiten wie eigenes Restaurant und warme Duschen, aber kein Wi-Fi! Und man fühlt sich wieder in die alten Zeiten zurückversetzt, als nicht alle mit dem Kopf nach unten auf ihren Smartphones herumgewischt haben. Man kommt schnell mit anderen Gästen ins Gespräch und tauscht sich aus. Die Liegen auf der das Tal überblickenden Veranda laden zum Lesen oder einfach Nichtstun ein, in der Bar gibt es Craftbier von der Kaffeefarm (mit den schlechtesten, nicht zu verkaufenden Bohnen wird dann Bier gebraut!), Kuchen und Geselligkeit. Und auch die Räume sind sauber und die Betten bequem. Das alles inmitten des Grüns und mit vielen Wandermöglichkeiten außen herum. 

Abends spiele ich auf der Veranda vor unserem Dorm mit Blick auf Santa Marta und den Sternenhimmel Ukulele, während sich wortlos erst ein Amerikaner dazugesellt, nach 10min ebenso lautlos wieder verschwindet und dann Sonja und Felix, ein österreichisch-deutsches Pärchen, mit denen wir uns super verstehen und die Tage hier verbracht haben.

Die Casas Viejas (dt. alte Häuser) Unterkunft liegt mitten in der Kaffeeplantage

Ein leckeres Frühstück mit Kaffee von den umliegenden Kaffeesträuchern gibt es hier

Der Blick ins Tal ist herrlich, unten sieht man die Feuerstelle und das Klohäuschen...

...von wo aus man mit herrlichem Weitblick seine wichtigen Sitzungen abhalten kann

Auf der Veranda lässt es sich aushalten



Speziell abends wird der Blick noch einmal schöner

Mitbewohner gibt es natürlich auch, so wie diese handflächengroßen Spinnen

Aber auch die etwas schöneren Zeitgenossen findet man


Diese Schmetterlingsart hat durchsichtige Flügel

Wandern gehen wir auch, auch wenn wir zur Mittagszeit ordentlich nass werden

Aber wir haben ja unsere Regensachen dabei, also kein Problem!

Organische Kaffee Farm La Victoria - 09.09.18
Die Kaffeefarm "La Victoria" liegt unweit von unserer Unterkunft, bzw. 20min zu Fuß durch den Dschungel und die Kaffeepflanzen hinab zur Farm. 
Dort gibt es sowohl gute Sandwiches und auch eine Tour durch die Farm, auf der uns unser junger sympathischer Guide mit großem Hut und viel Witz den Produktionsablauf näherbringt.

Die Stromerzeugung z.B. erfolgt autark über Wasserkraft. Dabei wird das Wasser von 1400m weiter oben genutzt, welches über ein Leitungssystem bergab zur Farm geleitet wird, wo es über eine Turbine den Strom für alle Maschinen erzeugt. Über das Leitungssystem werden auch die Bohnen von den Hängen in die Farm geleitet. Hierfür stehen überall Sammelstationen auf der Plantage verteilt, wo die Bohnen dann gesammelt und zur Farm geleitet werden. 
Dort werden die Bohnen sortiert und nach den Qualitäten 1 bis 3 getrennt. Die erste Qualität wird ausnahmslos exportiert (nur in die USA) und kostet z.B. in Florida 40-50$ pro Kilo. Da ein ähnlicher Preis in Kolumbien viel zu hoch wäre, und nicht verkauft werden könnte, wird exportiert. Die 2. Qualität wird in Kolumbien vertrieben. Die dritte Qualität eignet sich nicht mehr für guten Kaffee und wird zum Bierbrauen verwendet, was jetzt auch keine schlechte Verwertung ist. 
Die guten Bohnen werden nun zuerst von ihrem Fruchtfleisch befreit, was mechanisch passiert, bevor durch ein Wasserbad ihre Zuckerschicht entfernt wird. Die Bohnen werden dann mit der Pergamentschicht getrocknet, nach Größe sortiert (um später einen einheitlichen Röstprozess zu gewährleisten) und in großen Säcken abgepackt. Die Bohnen sind dann bis zu 18 Monate "haltbar" und gehen so von Minca aus auf die Reise.
Mittlerweile werden auch spezielle Züchtungen eingesetzt, die niedriger wachsen und entsprechend leichter zu ernten sind. Zum Vergleich: Die neuen Pflanzen werden ca. 2m hoch, die jetzigen 3-4m, da muss man sich dann schon strecken... Jedes Jahr werden nach und nach mehr Pflanzen ausgetauscht.
Zudem erklärt uns unser Guide, dass von 700ha der Farmfläche nur 100ha für den Kaffeeanbau sind, der Rest ist für Feuerholz, um die Bohnen trocknen zu können. Aber so ist gewährleistet, dass alles ökologisch zugeht und nachhaltig ist.

Wer sich jetzt eine moderne Fabrikhalle mit vielen glänzenden Maschinen vorstellt, in denen die oben genannten Prozesse stattfinden, liegt absolut und völlig daneben! 180° daneben. In der offenen Scheune sieht nichts aus, als wäre es neuer als 20 Jahre, die Maschinen sehen aus wie aus den 60er Jahren und werden zumeist über Riemen angetrieben. Viele der Sammelbehälter sind aus Holz gebaut und farbig angestrichen. Es wirkt wie aus einer anderen Ära, und doch funktioniert alles zuverlässig und ist leicht zu reparieren, sollte mal etwas nicht mehr funktionieren. Wieder ein schönes Beispiel für „einfach aber zuverlässig“!

Zum Abschluss genießen wir noch einen Kaffee und ein Stück Kuchen, bevor wir uns unseren Weg zurück durch die Kaffeepflanzen zur Unterkunft bahnen.

Um uns herum wächst überall Kaffee

Mit Felix und Sonja begeben wir uns zur Kaffeefarm

Dieser Cowboy hier erklärt uns dann die Prozesse der Farm

Ökologisch ja, aber mit rustikalem Charme

Über die Riemen wird alles angetrieben

Fertig! Sowohl der Kaffee, der hier abgepackt liegt, als auch wir mit der Tour. Tabea und ich posen fürs Foto

Danach heißt es wieder: Bergauf zu Casas Viejas

Auch hier gibt es wunderbare Aussichten

Die Kaffeebohnen sind fast reif für die Ernte. Ab Oktober und bis Dezember kommen die Kaffeeernter aus Kolumbien hierher und sammeln die Kaffeekirschen ein.


Birdwatching - 10.09.18
Aufstehen, es gibt viel zu sehen! Lorenzo holt uns gegen 5:30 ab, um uns in seine Welt zu entführen: Die der Vögel. Lorenzo ist unser Guide, aber vor allem ist er leidenschaftlicher Ornitologe, also Vogelkundler. Er lebt seine Leidenschaft, arbeitet an der Universität in Santa Marta und teilt seine Leidenschaft heute mit uns. Eine Amerikanerin, Lotti und ich begleiten ihn durch den erwachenden Wald um die Casas Viejas. Bereits auf der Veranda stellt er sein Fernrohr auf und auf einem nahegelegenen Baum zeigt er uns drei verschiedene Vögel, deren Existenz wir weder visuell noch audiosensorisch wahrgenommen haben. Danach begeben wir uns auf einen Weg neben der Unterkunft und sehen verschiedenste Vogelarten, die für uns meist nur Umrisse sind, die Lorenzo aber innerhalb von Sekunden zuordnen kann. Erst mit dem Fernrohr sehen wir die Vögel klar und erkennen die Farben der Federn und andere Merkmale. Die Sonne ist noch nicht über den Hügel gekrochen und so sehen wir meist nur Silhouetten gegen den hellen Himmel, aber mithilfe der Ferngläser, die Lorenzo und mitgebracht hat, sehen wir schnell mehr Details. Und dann plötzlich sehen wir auf einem nahegelegenen Baum 3 Tukane. Nice, diese farbenprächtigen Vögel wollte ich schon immer in natura und freier Wildbahn sehen. Mein Onkel hatte sich früher 2-3 solcher Vögel für seinen Wintergarten geholt, sich aber nach kurzem bereits wieder von ihnen getrennt, denn diese Vögel sind wahnsinnig laut, was weder er noch meine Großeltern, die das Geschnatter volle Breitseite abbekamen, sehr lange ertragen haben. In freier Wildbahn dürfen sie das natürlich und wir spähen durch Fernglas und Kamera zu den Vögeln hinüber. Nach ein paar Minuten ziehen sie weiter und ich bin bereits vollends zufrieden mit der Tour.

Je weiter die Sonne über den Berg kriecht desto schwieriger gestaltet sich die Suche, da die meisten Vögel sich dann stiller verhalten und ins Laub zurückziehen, um den Raubvögeln zu entgehen. So kommen wir mehr mit Lorenzo ins Gespräch, seine Lieblingsvögel (Red Knot, ein Zugvogel, der trotz seiner relativ geringen Größe eine der weitesten Migrationsstrecken zurücklegt, 14.000km jedes Jahr, von der Arktis bis nach Feuerland!), wie viele Vögel er kennt (über 1300) und allgemein seine Passion für Vögel, den Klimawandel, Drogenanbau und -konsum (die neue Regierung hat die legale Höchstmenge für den Eigenkonsum von Marihuana herabgesetzt, woraufhin seiner Meinung die Korruption der Polizisten wieder zugenommen hat), und dass er jetzt angefangen hat, Siegmund Freund zu lesen und dessen Ansätze hochinteressant findet. Ein wahnsinnig cooler Typ, nerdig cool, aber cool und sympathisch!

Lorenzo kennt alle Vögel, die hier zu finden sind und wir kommen mit seinem Fernrohr ganz nah ran

Ein belesener, einfach cooler Typ, mit dem die Tour viel Spaß macht

Diesen Kolibri finden wir direkt in der Unterkunft, wo er seinen Lieblingsast hat

Auch Spechte sehen wir des Öfteren

Diese knallgelben Vögel sind im Laub gut auszumachen

Das Highlight, ganz klar, der Tukan!

Sie schnappen sich morgens die Baum-Früchte

Der Hals leuchtet richtig und der Schnabel ist farbenfroh


Und dann ist unsere Zeit in diesem kleinen Paradies auch schon vorbei und wir ziehen weiter an die Küste, zum Tayrona Nationalpark östlich von Santa Marta und damit quasi um die Ecke.

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